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Familie und Weggefährten

Die Eltern und Geschwister

James Krüss wuchs gemeinsam mit seinen beiden jüngeren Schwestern Erni und Marlis – der kleine Bruder Detlef kam erst 1938 zur Welt, da war Krüss schon zwölf – in einer überschaubaren, miteinander vertrauten Inselgemeinschaft auf, die durch einen offenen Umgang geprägt war. Seine Mutter Margareta war die Tochter eines Hummerfischers, der anfangs sehr reich war, sodass sie eine französische Bonne, also ein Kindermädchen, hatte. Doch nach der Geldentwertung 1923 war es vorbei mit dem Reichtum, und Margareta musste in einem Hotel als Zimmermädchen arbeiten. Krüss' Vater Ludwig stammte aus einer Familie, in der die Männer alle Fischer und Schiffer waren, er aber war der erste Elektriker.

 

Talent zur Sprache

In dieser Übersichtlichkeit gedieh schon früh sein Talent zu beobachten und zu beschreiben. Und auch seine Sprachgewandtheit ist wohl auf eine Besonderheit des Insellebens zurückzuführen: So war seine Muttersprache das Helgoländer Friesisch, das Halunder. Erst als Grundschüler lernte er auch Hochdeutsch, sprach es in der Schule und im Sommer auch mit den Badegästen. Krüss wuchs also mehrsprachig und transkulturell auf; er lernte schnell, die Unterschiede der beiden Sprachen situativ zu gebrauchen, und verband mit ihnen jeweils bestimmte Lebensformen und Traditionen.

»Eine Heimat im Herzen haben, eine Insel haben und die Welt umrunden mit der Heimat im Herzen. So ist es eigentlich!«

Erni Rickmers, geborene Krüss, 2006

Ende einer unbeschwerten Kindheit

Seine unbeschwerte Kindheit, in der Krüss die Erzählungen und Glaubensweisheiten der Eltern, Groß- und Urgroßeltern in sich aufsog, wurde jäh durch den Krieg beendet. Als eine Bombe direkt neben dem Haus der Familie einschlug, wurde er nach Thüringen evakuiert. Und betrat mit fünfzehn Jahren zum ersten Mal das Festland, oder den Kontinent, wie er später immer sagte.

Zu dieser Zeit wollte er noch Lehrer werden, studierte in Lunden in Schleswig-Holstein, in Ratzeburg, Braunschweig. Sein Vater starb 1946, mit nur 42 Jahren. Im selben Jahr veröffentlichte Krüss sein erstes Buch »Der goldene Faden« im Parus Verlag, Hamburg. An der pädagogischen Hochschule in Lüneburg machte er sein Examen, doch er wurde kein Lehrer. Stattdessen gab Krüss das Mitteilungsblatt »Helgoland« heraus, eine Zeitung, die sich an die über das ganze Land verstreuten Helgoländer richtete. 1948 zog Krüss zunächst zu seinem Verleger Max Bruhn nach Reinbek bei Hamburg. Und begegnete hier dessen Sohn Christian Bruhn.

 

Weggefährten

Christian Bruhn

Christan Bruhn – aufgestützer Kopf
© Karl Kramer Pictureman München

Bruhn, acht Jahre jünger als Krüss, ist einer der erfolgreichsten, vielfach auszeichneten deutschen Komponisten und Musikproduzenten der Schlagerbranche in der Nachkriegszeit. Er schrieb die Musik für Drafi Deutschers Millionenseller »Marmor, Stein und Eisen bricht«, den Hit »Wunder gibt es immer wieder« von Katja Ebstein und für viele andere bekannte deutsche Schlagerkünstler. Christian Bruhn komponierte den Soundtrack für mehr als hundert Radio- und TV-Werbespots, unter anderem für Milka, McDonald’s und die LBS, Ohrwürmer allesamt, und ist für die Musik zahlreicher Kino- und Fernsehfilme verantwortlich. Außerdem hat er einige Krüss-Werke vertont.

Aus seiner Feder stammt beispielsweise die Musik für die zwölfteilige Kindersendung »James' Tierleben«, für die ab 1965 neben Krüss als Moderator auch die Schauspieler Hans Clarin und Suzanne Doucet vor der Kamera standen. Außerdem komponierte Christian Bruhn eine Musicalfassung von Krüss' »Sängerkrieg der Heidehasen«, die 1979 uraufgeführt wurde. Und natürlich schrieb er auch die Filmmusik zu dem TV-Hit »Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen« aus demselben Jahr. Bruhn trug mit seiner Arbeit maßgeblich zu Krüss' Popularität und Erfolg bei.

 

Erich Kästner

© Münchner Stadtmuseum, Sammlung Fotografie, Archiv Niggl Radloff

Als James Krüss 1949 nach München kam, lernte er bald Erich Kästner kennen, dem er selbstbewusst seine Dienste anbot. Daraus entstand nicht nur eine beruflich erfolgreiche Verbindung, sondern auch eine langjährige Freundschaft. Kästner, eine Generation älter als Krüss, war als Schriftsteller, Publizist, Drehbuchautor und Kabarettdichter bereits sehr erfolgreich. Seine Karriere begann während der Weimarer Republik mit gesellschaftskritischen und antimilitaristischen Gedichten, Glossen und Essays in verschiedenen Publikationen, für die er von den Nazis geächtet wurde, obgleich man ihn duldete. Bekannt wurde er vor allem durch seine Kinderbücher »Emil und die Detektive«, »Pünktchen und Anton« und »Das doppelte Lottchen« von 1949.

Kästner erlaubte dem jungen Krüss, sein Kinderbuch »Die Konferenz der Tiere« in eine Hörspielfassung umzuarbeiten, und verhalf ihm in der Folge zu wichtigen Kontakten beim Rundfunk. Krüss war bei den Dreharbeiten einiger Kästner-Verfilmungen dabei und durfte sogar die jungen Schauspieler für Filme wie »Das doppelte Lottchen« aussuchen. James Krüss bearbeitete fast alle Kästner-Bücher für das Radio, einige sind in seinen Fassungen bis heute immer wieder als Hörspiele zu hören. Kästner ermutigte den jungen Autor, seine Manuskripte an Verlage zu schicken, und vermittelte ihn an einen Agenten. Der große Erich Kästner blieb bis zu seinem Tod im Jahr 1974 ein wichtiger Förderer von James Krüss.

 

Peter Hacks

Peter Hacks sitzt locker auf seiner Steinterrasse
© Edith Rimkus-Beseler/ Peter-Hacks-Gesellschaft e.V.

In München begegnete James Krüss 1951 auch Peter Hacks, dem Schriftsteller, Dramatiker, Lyriker, Erzähler und Essayisten. Die beiden arbeiteten gemeinsam für den Rundfunk; Hacks trat zudem mit eigenen Texten im Kabarett auf. Es entwickelte sich eine enge Freundschaft. 1954 reisten sie gemeinsam nach Dalmatien an der Adriaküste des damaligen Jugoslawien, ein Land, das Krüss in den Folgejahren noch oft besuchte. Dort reimten die beiden Schriftsteller Kindergedichte – was der eine anfing, dichtete der andere zu Ende. So entstanden sechs Gedichte, zum Beispiel »März Küsse«, die unter einem Pseudonym veröffentlicht wurden. Da sich jedoch zunächst kein Verleger finden ließ, teilten Krüss und Hacks die Gedichte untereinander auf, so dass heute drei davon offiziell Hacks, drei Krüss zugeschrieben werden.

 

Als Hacks 1955 in die DDR übersiedelte, blieb die Verbindung bestehen. Krüss hatte ohnehin keine Berührungsängste mit dem sozialistischen Teil Deutschlands. Die meisten seiner Bücher erschienen von Anfang an auch in der DDR, manche sogar zuerst dort. Seinen 50. Geburtstag feierte Krüss auf Helgoland – und im Köpenicker Schloss in Potsdam. Bis heute gilt Hacks, der 2003 verstarb, als einer der bedeutendsten Dramatiker der DDR.

 

Klaus Doderer

Klaus Doderer, im Anzug, am Tisch
© privat

Der Literatur­wissen­schaftler Klaus Doderer hat viele Jahr­zehnte über die Kinder- und Jugend­literatur geforscht, unter anderem als Professor am 1963 gegründeten Institut für Jugend­buch­forschung der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main. Natürlich hatte er auch James Krüss im Blick, er hat sich intensiv und aus literatur­wissen­schaft­licher Sicht mit Krüss' Werk auseinandersetzt, durchaus kritisch, aber vor allem wohlwollend. Die beiden wurden enge Freunde, lauschten einander und tauschten Gedanken, die etwa »nach und bei langen gemeinsamen Barfußgängen durch den weißen oder auch schwarzen Sand der Strände Gran Canarias entstanden«, wie Doderer in einem Beitrag für ein Buch zu Krüss' 60. Geburtstag schrieb.

 

Doderer, der auch eine Biographie über James Krüss geschrieben hat, sieht in dem Helgoländer Autor einen engagierten Menschen mit umfassendem und kritischem Blick auf die Zeitläufe. »Sein Werk«, sagt Doderer, sei eine »dichterische Antwort auf das, was er an politischem und sozialem Geschehen miterlebt hat«, seine Texte ein Versuch, sich zu Wort zu melden. Und Krüss ein »mutiger Verfechter eines humanen und zivilen Lebens, ein Kämpfer für Geist und Haltung«.

 

Udo Jürgens

Portrait Udo Jürgens
© hr/Kurt Bethke

Udo Jürgens war längst ein Star am deutschen Schlagerhimmel, als er begann, Krüss-Texte zu vertonen. Für die ARD arbeiteten die beiden ab 1971 zwei Jahre lang an der sechsteiligen Sendereihe »Jenny und Jonny – Alle Kinder dieser Welt«. Dafür wurden zwei Kinder gecastet, die in der Sendung Jürgens' Kinder spielten und mit ihm zusammen Lieder sangen. Krüss steuerte nicht nur die Liedtexte und Geschichten bei, sondern moderierte auch die Sendungen. Udo Jürgens nahm in dieser Zeit auch vier Langspielplatten auf, die Vertonungen von Krüss-Gedichten enthalten.

 

Mit über 105 Millionen verkauften Tonträgern zählt Udo Jürgens zu den kommerziell erfolgreichsten Unterhaltungsmusikern im deutschen Sprachraum. Jürgens komponierte aber auch für internationale Interpreten und Topstars wie Shirley Bassey, Frank Sinatra oder seinen Freund Sammy Davis junior. Mit »Merci, Chérie« gewann er als erster Österreicher 1966 den Grand Prix Eurovision de la Chanson (heute Eurovision Song Contest). Seine Karriere erstreckt sich über nahezu 60 Jahre. Udo Jürgens ist stilistisch irgendwo zwischen Schlager, Chanson und Popmusik einzuordnen. In erster Linie aber war er ein Wanderer zwischen musikalischen Welten, ein Grenzgänger – und großartiger Entertainer. Udo Jürgens starb im Dezember 2014.