Lyrik und Sprachspielereien
Geliebte und gelebte Sprache
James Krüss liebte Sprache und Sprachspielereien und verfügte darüber hinaus über ein großes, nicht nur literarisches Wissen. Das spiegelt sich in seinen Rätseln und Kinderballaden wider, und darauf ist auch das für Krüss typische Genre der ABC-Gedichte und -Geschichten zurückzuführen. Der Autor fing schon früh an, leidenschaftlich auch Kindergedichte anderer Autorinnen und Autoren aus aller Welt auszuwählen und immer wieder neu zusammenzustellen.
Seine erste Gedichtsammlung »Spatzenlügen« veröffentlichte Krüss 1958. Von besonders literaturgeschichtlichem Wert erscheint die Anthologie »So viele Tage wie das Jahr hat« mit insgesamt 365 Gedichten aus vielen Jahrhunderten. Insbesondere mit dem Anhang zu diesem Band, der einen ersten Gesamtüberblick über die Entwicklung des deutschsprachigen Kindergedichts gibt, hat Krüss eine wissenschaftliche Lücke gefüllt und in innovativer Weise weiterführende Anregungen auf diesem Gebiet geliefert.
Im Folgenden finden sich einige Beispiele wunderbarer Lyrik und berühmter Sammlungen von James Krüss' Gedichten.
»Als man zu schreiben angefangen,
erfand man auch das Alphabet.
Da kam zuerst das A gegangen,
das adlerhaft am Anfang steht.«
James Krüss, erste Strophe des Gedichtes »Das A«
Henriette Bimmelbahn
Ab Mitte der 1950er-Jahre kamen jährlich neue Bücher von Krüss auf den Markt, vor allem Bilderbücher. Eines seiner ersten und heute noch bekanntesten Werke aus dieser Zeit ist die »Henriette Bimmelbahn« von 1957, erschienen im Boje Verlag. Henriette, die sympathische und stets vergnügte Bimmelbahn, pfeift und bimmelt, rattert und knattert, dampft und faucht in Krüss' unvergessenen Reimen über die Buchseiten. Sie schlängelt sich in großen Bögen durch Wald und Wiesen, an Seen vorbei, lässt Leute aussteigen und wartet geduldig auf die heraneilenden Kinder – bis sie am Abend wieder matt und müde nach Hause zuckelt.
»Henriette Bimmelbahn« ist mit den Illustrationen von Lisl Stich, die James Krüss kurz nach dem Zweiten Weltkrieg kennengelernt und die viele Jahre mit ihm zusammengearbeitet hat, ein wahrer Bilderbuchschatz und längst ein beliebter Kinderbuchklassiker.
Der wohltemperierte Leierkasten
Die Gedichtsammlung »Der wohltemperierte Leierkasten« erschien erstmals 1961, mit einem Nachwort versehen von James Krüss' berühmtem Vorbild und Förderer Erich Kästner. In dem Band findet sich eine Auswahl seiner schönsten Gedichte zum Lesen und Vorlesen, zum Lachen und Schmunzeln, zum Nachdenken und Mitsingen. Für kleine Leute, Wanderer, Spaziergänger und alle, die mit Tieren befreundet, bekannt oder verwandt sind. Für komische Käuze, verrückte Uhus und andere Spaßvögel. Für Mädchen und Damen, Buben und Herren. Und auch für müde Kinder und solche, die gern auf dem Kopf stehen.
Viele Gedichte in »Der wohltemperierte Leierkasten« spiegeln eine fröhliche kindliche Welt wider. Es sind Gedichte, die zum Nach- und Mitsprechen anregen, die noch heute in vielen Schulbüchern wiederzufinden sind und auf die beeindruckende Krüss'sche Fabulierkunst verweisen. In diesen Gedichten winden sich Verben und Adjektive wie Flammen durch die Verse, appellieren an alle Sinne und stellen so die kindliche Vorstellungskraft auf die Probe. »Der wohltemperierte Leierkasten« wurde 1962 für den Deutschen Jugendbuchpreis nominiert.
James’ Tierleben
»James' Tierleben« erschien zunächst 1965 im Annette Betz Verlag in München. Die kleine Zoologie enthält 109 von Krüss handverlesene gereimte Lektionen zur Unterhaltung und Belehrung und zum Lesen und Vorlesen für die ganze Familie. Zoologie deshalb, weil wieder einmal Tiere Handlungsträger der Gedichte und Sprachspielereien sind. Darunter Wickel-Wackel-Dackel und Windhunde, Kindergartenküken und Zirkushasen, Löwen und Affen und federleichte Nilpferde, munkelnde Unken und allerlei anderes aufgewecktes Getier. Ein eigenes Kapitel widmete Krüss in »James' Tierleben« seinen Nonsens-Gedichten wie beispielsweise »Wenn Möpse Schnäpse trinken«.
Offensichtlich mache es dem dichtenden Kinder- und Tierfreund James Krüss Freude, den einzelnen aus dem Zauberkasten seiner Phantasie herausgeholten Wesen wortgewandt eigene Verkleidungen zu geben und selbsterfundene Aufgaben zuzuteilen, urteilt Krüss' Weggefährte und Biograph Klaus Doderer. Mit seinen Tieren treibe er sein eigenwilliges Spiel. Und so bringt uns Krüss augenzwinkernd nicht nur die Unterschiede zwischen Mensch und Tier näher – die Tiergestalten führen uns außerdem auch menschliche Schwächen und Eigenschaften vor Augen. Übrigens taten sie das auch im Fernsehen, denn im selben Jahr startete die Produktion der gleichnamigen Kindersendung, in der Krüss als Moderator gemeinsam mit den Schauspielern Hans Clarin und Suzanne Doucet vor der Kamera stand.
James Krüss, James' Tierleben // Illustrationen von Sabine Wilharm // Gebunden // 128 Seiten // ISBN 978-3-551-55277-8 // Carlsen Verlag (vergriffen)
Von Anfang bis Zebra
Mit seinen ABC-Büchern bediente Krüss eine traditionelle Form des Bilderbuchs, wurden ABC-Bücher doch schon seit dem 16. Jahrhundert genutzt, um das Alphabet zu vermitteln. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts bildeten ABC-Bücher sogar ein eigenes Genre der Kinder- und Jugendliteratur. In und mit diesen Werken erklärte Krüss nicht nur die Merkmale der einzelnen Buchstaben, sondern reimte jeweils ganze Verse oder sogar längere Strophen dazu, um auf diese Weise das Alphabet sprachspielerisch zu vermitteln. Wohl kaum ein Autor jonglierte so mühelos mit dem Alphabet wie James Krüss.
Eine heitere Zusammenstellung von frischen Wortspielereien findet sich auch in den Buch »Von Anfang bis Zebra«, 2011 im Hamburger Carlsen Verlag veröffentlicht, das heute leider vergriffen ist. Hier bekam jeder einzelne Buchstabe seinen eigenen Auftritt, vom A als Aar und Zar des Alphabets bis hin zum Z, das zum Zwilling, zu Zwieback und Zwecke führt, geht die Reise quer durchs Alphabet, begleitet von Sabine Wilharms wunderschönen farbigen Illustrationen. Ein Spaß, der Klein wie Groß zu eigenen Reimen anregt.
James Krüss, Von Anfang bis Zebra // Illustrationen von Sabine Wilharm // Gebunden // 128 Seiten // ISBN 978-3-551-55579-3 // Carlsen Verlag (vergriffen)